Belarussischer Spagatt

Veröffentlicht am: 28 ноября 2023 | Online: 28 ноября 2023

Nach der Verhaftung von drei Journalisten von Regnum sind die Anhänger der „russischen Welt“ in Belarus gefährdet und halten den Mund. In diesem Licht erscheint die Freilassung von russophoben Blogger Eduard Palchis, der Russen Schweine genannt habe, unerklärlich. Oder im vorigen Monat wurde auf Anfrage eines Journalisten Aleksandr Lewtschuk in Brest ein Fahrer in dem Munizipalitätsauto wegen des Tragens von Georgiewskij Band und der russischen Fahne bestraft. Mit Sorge wird in Russland beobachtet, wie die Aktivisten des „Jungen Front“, die an dem Krieg in der Ukraine auf Ukrainer Seite kämpften, nach den Protesten am 25. März auf dem freien Fuß gestellt sind. In einem der regierungsnahen (Medienorgan der Präsidentenadministration) Internet Media „SB – Belarus Segodnja“ wurde auf die russische Politik bezüglich Belarus einige Antworten geliefert und die Souveränität des Landes verteidigt. Kritik wurde an die Regierung von Kebitsch geäußert, die verräterlicherweise bereit wäre, in Belarus russische Rubel einzuführen. Es wird aber auch Schuschkewitsch Position in Kritik gezogen. Wie die Propagandamachine der Präsidenten Administration meldet, die westliche Annährung auf alle Kosten voranzubringen würde heißen, dass man größtes Hindernis in Gestalt von Russland nicht kalkuliert habe.

Russland sieht am Beispiel der Ukraine, dass die großen finanziellen Aufwände (von 100 Mrd. Dollar), wie man sie damals als Gasverträge, wirtschaftlichen Verbindungen und Handel zur Festigung der Beziehungen gepriesen hatte, nicht auszahlen. Bei minimaler Auszahlung könnten die Amerikaner ein ganzes Land in Richtung Westen umsteuern. Darum wird als prioritär angesehen, in die pro-russische Elitebildung zu investieren.

In Russland wird mit Missverständnis empfunden, wie der Administrationschef des Zentralen Rayons Minsk Igor Buzowskij, früher der stellvertretenden Administrationschef des Präsidenten in Fragen der Ideologie am 12. Juni 2017 von der Harmlosigkeit der „weiß-roten Fahne“ und von der Truppe Pahonia redet und deren Symbolik als Kulturgut bezeichnet. Wie auch, dass er keine Kritik an das Kulturportal „Art-Sjadziba“ ausübt, welches zum Ziel hat die Kultur und Sprache von Weißrussland zu fördern. Russland ärgert auch, wie der Parteiführer von Liberal Demokraten Gaidukewitsch - seine Partei hatte in 1995 für die sowjetische Fahne von Belarus gestimmt - nun davon spricht, dass der weiß-roten Fahne einen Kulturstatus gewürdigt werden muss und dass das Wappen von Pahonia und die weiß-rote Fahne in den Straßen von Belarus zu tragen, nicht strafrechtliche Verfolgung mit sich ziehen soll. In Russland erregt diese Art der Indoktrination der Symbolik in dem legitimen Raum von Belarus, wobei jene Symbolik mit Bandera und Schukhewitsch assoziiert wird, Ärger. Von dem belarussischen Geheimdienst KGB wurde die Spitzenvertreter der Militärorganisation „Pahonia“, die angeblich auf freiwilliger Basis in der Ukraine kämpfte und an dem Kessel in Ilowajsk teilnahm, benannt, denen die Rückkehr nach Belarus mit Haft gedroht ist.

Belarussische Opposition ist sehr zersplittert und nicht monolith. Ihre Mitglieder teilen vor allem die jungen und alte Generationspolitiker, deren Losungen bei den jungen Aktivisten nicht akzeptiert oder verstanden werden. Sehr viele pathetischen Slogans der alten Oppositonspolitiker wie Statkewitsch sind in Belarus gerade unter den Jugendlichen nicht anerkannt, wie die Forderung nach belarussischer Sprache oder Europa-Losungen. Darum entsteht eine neue Masse der Protestierenden und oppositionell-gesinnten Aktivisten, die vor allem in den sozialen Netzwerken aktiv machen. Die alte Opposition nutzt diese Medien in seiner generellen Propaganda kaum und bleibt der gesellschaftlichen Entwicklungen zurück. Darum entsteht so eine Kluft in der Oppositionsbewegung.

 

Alte Opposition

Einer der Leaders der „Sprich die Wahrheit“ Andreaj Dmitrieu schlug einen 5 Jahre Plan für die belorussische Opposition vor. Er sieht die Chance in den Lokalwahlen zu gewinnen und erst dann über Lukaschenko’s Regime siegen zu können.  Die Wahlen in die Lokalen Räte werden in dem Jahr 2018 18. Februar (speziell so gewählt, damit die Vorwahlkampagne in der Zeit von Weihnachten und Neujahrfeste erschwert werden) erwartet und dann kommen 2020 die Parlamentswahlen. Ob die Wahlen tatsächlich stattfinden oder nicht, ist vom Willen der Regierung abhängig, ist seine Argumentation.  Gerade sieht er die Chance, dass man die Positionstärkung der Opposition erzwingen kann, denn die Regierung ist momentan wegen der Proteste um seinen Repräsentanten in den regionalen Behörden besorgt, die nicht fähig sind, die soziale Proteste zu stillen. Somit macht die Opposition dem Regime eine Offerte, entweder will es die Verantwortung weiterleiten und einwilligen oder wird die Opposition die Proteste unterstützen. Dabei muss man unterstreichen, dass den Oppositionsparteien die menschlichen Ressourcen zur Beobachtung der Lokalwahlen fehlen.

In der belorussischen Opposition formt sich schrittweise eine Gruppe – die rechtzentristische Opposition, die für den Einheitskandidaten plädiert. Jurij Gubarewitsch von der Bewegung „Für Freiheit“ denkt, dass zu den Wahlen mit einzelnen Kandidaten aus den Parteien zu gehen, kein Resultat ergibt. Vitalij Rymashevski von der Belorussischen Christ-Demokraten und Anatolij Lebedko von der Partei der Bürger Union sind der ähnlichen Ansicht. Generell vereint sich die belorussische Opposition dann, wen es ein konkretes Ziel zum Umsturz des Regimes sieht, wie in 2001 oder 2006.

Im Allgemeinen herrscht ein Dauerkonflikt zwischen den Mitgliedern der „Spich die Wahrheit“ und der Partei der Bürgerunion, der mit verbalen Schlagabtauschen folgt.  Lebedko von der Bürgerunion, dessen Mitglied in der Zweiten Kammer als einziger Parlamentsmitgied von der Opposition Sitz hat, wirft dem Leader der „Sprich Wahrheit“ Bewegung Taciana Karatkewitsch die Zusammenarbeit mit dem Regime vor. Eklärt hatte er seine Position, als die die Anhänger der „Sprich Wahrheit“ Bewegung in den sozialen Netzwerken gegen diese „anti“-belorussischen Resolution auftraten, was Lebedko zum Anlass machte, die gesamte Bewegung und ihre führenden Köpfe in der Kollaboration mit dem Regime anzuklagen. Während der Tagung von OSZE PA in Minsk schlug Litauen die Bemerkung in dem Schlussakt „Situation in dem Östlichen Europa“ zu der Menschenrechtssituation in Belarus vor, deren Inhalt aber von dem Vizepräsidenten der PA-OSZE aus Schweden abgelehnt wurden, mit der Erklärung, dass in dem vorgelegten Entwurf wären die Verbesserungen der Menschrechtssituation in Belarus nicht erwähnt. Dazu hat sich auch Statkewitsch in seiner Rede in den USA geäußert, in der die europäischen Parlamentarier für ihre Käuflichkeit kritisiert wurden.

Nikolaj Statkewitsch erklärte, dass er eine Protestaktion am 8. September in Minsk organisieren wird. „Aktion der Warnung“ von dem Belarussischen Nationalkongress soll vor dem Militärtraining ZAPAD 2017 warnen. Statkewitsch handelt allein und herausfordert die anderen Oppositionellen. Sie folgen ihm nicht, wie auch seinen früheren Protestaufrufen im März und Mai, weil sie sich davor fürchten, seine Autorität zu stärken, währen die zwei weiteren Flanken in der belorussischen Opposition ihre eigenen Präsidentschaftskandidaten nominieren wollen. Bekannterweise sind die Dauerprotestaktionen auf der Straße nicht effektiv, am 3. Juli zum „Tag der Unabhängigkeit“ kamen zu Statkewitsch Protestaktion in Minsk nicht mal 100 Menschen.  Viele verstehen das Motiv von ihm nicht, denn der Unabhängigkeitstag von Belarus ist 25. August und 3. Juli wird als Befreiung von Belarus aus der Wehrmacht zelebriert.

Im Allgemeinen herrscht in der Opposition die Nachfrage nach den Strategien, die verwendet werden, um Lukaschenko zu stürzen. Anna Krasulina schlägt friedliche Aktionen, aber nun die Streiks, die die Fabriken lahmlegen und das Regime einlenken würden. Das Regime hat sehr effektiv gehandelt, indem es gezielt die führenden Parteileader, wie z.B. in Grodno, die Oppositionspolitikerin aus der Bürgerunion Ilina Dawidowitsch vor der Aktion festsetzte. Oder auch wurden in Brest und Grodno die Proteste zugelassen, auch die weiss-rote Fahnen, aber in Minsk wurden die Protestierenden vertrieben, womit der Opposition ein Signal gesendet wurde, wir sind bereit an dem Dialogtisch zu sitzen. Und das Regime geht sehr gewaltvoll gegen die jungen Oppositionellen vor, während die alten irgendwie verschont werden.

 

Neue Gesichter der Opposition

Ein neues Gesicht und populäre Politiker der belarussischen Opposition kann der Leiter der Gewerkschaft der Radioelektronischen Industrie (REP) Gennadij Fedynitsch werden. Er wurde nach den Aktionen der Gewerkschaften im Juli verhaftet. Manche in Belarus sehen ihn als der nächste Lech Valenca und denken, es wäre möglich, eine Großaktion der belorussischer Gewerkschaftsmitglieder zu organisieren. Ihm und seinem Buchhalter Igor Komlik werden jetzt die illegalen Bankkontos im Ausland und die Steuerhinterziehung inkriminiert, wobei umstritten bleibt, ob die belarussische Finanzpolizei abermals die Informationen dazu aus dem benachbarten Litauen und Polen geholt hat. Die Gewerkschaften bekommen aktive Unterstütung von dem Belarussischen Nationalkongress, darunter Schriftsteller und alter Präsidentenkandidat Neklyayew und Statkewitsch. REP als Gewerkschaftsorganisation ist ziemlich populär unter den Arbeitern, denen sie bei der Steuerrückzahlung und Rentenrückertstattungen Behinderten oder Müttern von mehreren Kindern, geholfen hat. Auch die die Belorussische Christ-Demokraten und Belorussische Volksfront verlangen die Freilassung der Gewerkschaftsführer und sehen dahinter das Interesse einiger Politiker in der Regierung, die Beziehungen mit dem Westen aufs Spiel zu setzen, die pro-russisch orientiert sind.

Nach der Welle der Protestaktionen wurden auch einige Blogger wie z.B. Filippowitsch bekannt, ein Videoblogger aus Gomel, der inzwischen so weit beliebt wurde, dass er jetzt das belarussische Staatsfernsehen ersetzt und viele Belarussen seinen Youtubekanal als Alternative zu den Staatsmedien sehen.  

Es gibt aber keine neue junge Organisation oder kein konkreter Politiker, dem die Aktivisten aus Februar oder März folgen würden. Es gab keine Strukturen und Programme – und die alte Opposition verpasste die Chance, um die Jugendlichen und Mitglieder zu werben. Viele meldeten sich für die in Belarus nicht registrierte Organisation „Junger Front“ von Daschkewitsch. Er bleibt in der belorussischen Oppositionsszene eine kontroverse Figur, der Charisma fehlt und die Konkretheit der Ideale. Viele sind über seine politischen Ansichten verwirrt, die für einigen zu europäisch, für anderen zu antisemitisch, für manchen nationalistisch vorkommen. Die ehemaligen Mitglieder der in Belarus verbitenen und in 2000 aufgelösten, nationalistischen „Weißlegion und Mitglieder der Militär-Sportlager „Patriot“.

 

Ressourcen der Opposition

Die westlichen Sponsoeren der belorussischen Opposition sind Polen, Deutschland und Schweden, deren Hilfeleistungen der Gesamtsumme aller Hilfen aus dem Westen gleichkommen. BelSAT, ein belorussischer Fernsehkanal in Polen, meldete Probleme, als sich die polnisch-belarussischen Beziehungen verbesserten. Schwedens Gelder gehen vor allem in die Bildungs und Sozialsektore, Kultur und Genderprojekte, sie werden weniger für politischen Zwecke verwendet. Nekljajews „ZGIN“ – „Für Staat und Unabhängigkeit“ Bewegung wird z.B. von dem ehemaligen Leiter der Präsidentenadministration Leonid Sinitsyn finanziert, der in Moskau sitzt. „Belorusskij Partizan“, eines der anti-regime Medien bekommt Finanzen aus der Stiftung „Dynastie“, die in Russland registriert ist, in dessen Gemeinschaftsrat, russischer Vizepremier Dworkowitsch sitzt.