Angriffe auf Schattenflotte: Neue ukrainische Taktik auf Probe

Veröffentlicht am: | Online: 17 декабря 2025
Angesichts der Sanktionen musste Russland nach dem Kriegsbeginn im Februar 2022 ihre Exporte über die so genannte "Schattenflotte" verwickeln. Die Angriffe auf die russischen Tanker Ende November-Anfang Dezember 2025 zeigen, dass die Ukraine trotz der andauernden Verhandlungen auf den Druck nicht verzichtet. Im Hintergrund ist die stillschweigende Unterstützung durch die USA und EU-Staaten erkennbar. Kurzfristig könnten die Angriffe auf die Schattenflotte ein Druckmittel sein, um die russische Seite in den aktuellen Verhandlungen zu den Zugeständnissen zu zwingen. Sollten die Sanktionen gegen die russische Exporte nicht aufgehoben werden, könnten die Angriffe auf die Schattenflotte ein dauerhaftes Werkzeug sein, um die russische Wirtschaft zu schwächen. Selbst wenn die Exporte nicht komplett zum Erliegen gebracht werden, werden sie teurer. Die letzte Serie der Attacken soll die Reaktion von Russland und wichtiger Drittstaaten, vor allem der Türkei, testen.
Schwarzes Meer und neue Taktik, Quelle: BeIPG

Erweiterung der Geografie der Angriffe

Die Angriffe auf die Schattenflotte waren keine Seltenheit, die fanden aber früher in ausschließlicher Wirtschaftszone von Russland oder im Norden des Schwarzen Meeres statt. Am 02.11.2025 wurden drei Tanker in Tuapse angegriffen und schwer beschädigt: POLLUX (Panama), CHAI (Liberia) COAST BUSTER (Bahamas) und SATURN I (Russland, in Klammern jeweils unter welcher Flagge das Schiff gemeldet war). 

Ende November wurden auch die Schiffe in den türkischen Gewässern zum Ziel. Am 28.11.2025 wurden zwei Tanker der Schattenflotte unter gambischen Flagge - Kairos und Virat - in den territorialen Gewässern der Türkei angegriffen und zeitweise lahmgelegt. Ein weiterer Tanker, Mersin, der einem türkischen Unternehmen gehört, meldete vor Dakar/Senegal in der Nacht vom 27.11.2025 vier Explosionen. Der Tanker transportierte chemische Stoffe. Der kurze zeitliche Abstand zwischen beiden Ereignissen lässt in diesem Fall einen koordinierten Angriff vermuten.

Am 02.12.2025 fiel der russische Tanker MIDVOLGA-2 einem Seedrohnenangriff zum Opfer. Laut türkischer Generaldirektion der Schifffahrt verfrachtete das Schiff Sonnenblumenöl aus Russland nach Georgien und wurde 80 Seemeilen von der türkischen Küste beschädigt und musste anschließend von der türkischen Küstenwache in den Hafen von Sinop eskortiert werden. Unmittelbar nach dem Angriff fand ein Gespräch im türkischen Außenministerium mit dem russischen Chargé d’Affaires in Ankara statt. Die russische Seite gab keine Kommentare zum Inhalt des Gesprächs, es kann aber davon ausgegangen werden, dass die russische Seite animiert wurde, nicht zu antworten.

Am 10.12.2025 griffen die Seedrohnen vom Typ Sea Baby den Tanker Dashan, der unter der Flagge der Komoren mit dem ausgeschalteten Transporter in Richtung Noworossijsk fuhr. Eine weitere Eskalationsstufe war am selben Tag der Angriff auf die Hafeninfrastruktur des Konsortiums KTK erreicht, hierbei waren die Erdölexporte von Kasachstan betroffen. Die Ab- und Beladung wurde unmöglich und deswegen musste das kasachische Energieministerium die Erdölexporte umleiten.

Das kasachische Außenministerium reagierte mit einem deutlichen Protest. Noch lauter war die Antwort aus Moskau, wo sich Präsident Putin persönlich zu Wort meldete und den Angriff als "Piraterie" bezeichnete. Er fügte hinzu, im Falle weiterer Angriffe werde Russland weitere Kategorien von Zielen, wie Schiffe und Hafeninfrastruktur, anvisieren. Eine "radikale" Antwort wäre komplette Abschottung der Ukraine vom Schwarzen Meer. Des Weiteren drohte Putin, Maßnahmen gegen Schiffe der Länder, die Ukraine unterstützen, in Betracht zu ziehen. 

Zuerst blieb es bei der verbalen Reaktion von Russland, da sich wahrscheinlich die türkische Führung einschaltete und ein Treffen zwischen den Staatschefs in Aschgabat/Turkmenistan am 13.12.2025 bevorstand. Auf dem Rückweg aus Aschgabat berichtete Erdogan über das Gespräch, dass die Ukraine und Russland das Schwarze Meer nicht zur Austragung der Vergeltungsschläge nutzen sollten. Der türkische Präsident meldete sich erneut am 16.12.2025 mit der Warnung an beide Seiten, Beschuss der zivilen Schiffe sei inakzeptabel.

Neue Seedrohne und Unterstützung im Hintergrund

Ende Oktober wurde die neue Version des Seedrohnen Sea Baby vorgestellt, der jetzt 1,5 Tausend Kilometer Reichweite habe und somit im ganzen Schwarzen Meer einsetzbar sei und KI nutze. Laut Novaya Gazeta meldete der ukrainische Geheimdienst SBU insgesamt 11 erfolgreiche Angriffe auf die russische Schiffe, was zur Versetzung des Hauptstützpunktes der russischen Schwarzmeerflotte von Sewastopol nach Noworossijsk führte. Laut Bericht von Atlantic waren die Angriffe anhand der amerikanischen Geheimdienstinformationen vorbereitet und durchgeführt. Die aktive Phase der Friedensverhandlungen in Berlin zwang Russland zum Rückhalt, um die positive Dynamik nicht zu beeinflussen, was eine etwas zurückhaltende Reaktion in Moskau erklärt.

Zukunftsaussichten und die diplomatischen Folgen

Die asymmetrische Strategie der Ukraine, die Schattenflotte gezielt zu bedrängen, hat Aussichten auf Erfolg, weil die eventuellen Antworte deutlich höheren Schaden für Russland bedeuten würden. Jedoch bleiben die Attacken auch für die Ukraine nicht folgenlos. Nach den Angriffen Anfang Dezember stiegen die Versicherungsprämien für die Schiffe in Richtung Ukraine und betrugen 0,5% des Schiffspreises. Für die russischen Schiffe erhöhte sich die Prämie auf 0,65-0,85% gegen 0,6% vor den Angriffen. Diese Kosten kann die Ukraine besser stemmen, da ihre Schiffe im Vergleich zu Russland nicht von Sanktionen betroffen sind.

Die USA und die europäischen Staaten können ihre Dominanz nutzen und so die Schattenflotte Optionen für die Schattenflotte begrenzen. Die neuseeländische Versicherungsfirma Maritime Mutual, die zuvor die Schiffe der Schattenflotte versicherte, brach nach Ermittlungen der neuseeländischen, australischen, britischen und amerikanischen die Zusammenarbeit ab.

Die verhaltene Reaktion von Putin auf die Angriffe ohne konkrete Gegenmaßnahmen zeigt, dass Russland nicht bereit ist, die nächste Eskalationsstufe zu initiieren. Hier stößt Kremlin auf den Wiederstand der Türkei, die an einer Eskaltion nicht interessiert ist. Allerdings kann Russland gleichzeitig auf die Vermittlung der Türkei setzen. Die erhebliche Beeinträchtigung der Schifffahrt im Schwarzen Meer ist auch nicht im Interesse Ankaras, zumal die beschriebenen Ereignisse in dessen Gewässern stattfanden und mindestens einmal ein türkisches Schiff betroffen war. Die Türkei geht aus der letzten Eskalationsrunde gestärkt heraus und zeigt ihre Fähigkeit, die zwischen Konfliktparteien zu vermitteln und für klare Spielregeln zu sorgen.

Die Ukraine kann die russischen Exporte nicht in der Gänze neutralisieren, aber sie kann dafür sorgen, dass der Aufrechterhaltung der Schattenflotte sehr kostspielig wird und die Firmen aus Drittländern von der potentiellen Zusammenarbeit mit der Schattenflotte abschrecken. Dabei muss die Ukraine auf die diplomatische Reaktion Rücksicht nehmen, wie die Reaktionen aus der Türkei und Kasachstan zeigen.

Des Weiteren besteht auch Risiko, dass Anrainerstaaten wegen der Attacken auf die Schiffe schwere Umweltschaden tragen können. Bisher gelang dem ukranischen Geheimdienst, die Schiffe unebenutzbar zu machen, ohne Schaden für die Umwelt oder Unbeteiligte zu verursachen. Die Fortsezung dieser Strategie erfordert minutiöse Planung und genaue nachrichtendienstliche Informationen.
Die erste Phase des Kampfes gegen die russischen Schattenflotte unter der "Wasserlinie" kann als ein Teilerfolg der ukrainischen Militärplaner gewertet werden, der aber ein erhebliches Eskalationspotential beinhaltet.